Roy Black, der Karl Blume der Bundesrepublik: Die Remakes von „Grün ist die Heide“


Roy Black, der Karl Blume der Bundesrepublik

Die Remakes von „Grün ist die Heide“

Inhalt

Der Heimatfilm der Bundesrepublik: Noch mehr Schützenfest

Zur Saison 1951/1952 wird „Grün ist die Heide“ erneut verfilmt. Die Berolina-Film von Kurt Ullrich produziert, der Gloria-Filmverleih bringt den Film in die Kinos. Die Neuverfilmung folgt dem Drehbuch von 1932, das Bobby E. Lüthge leicht überarbeitet und erweitert.

Als Schauspieler engagiert Kurt Ullrich eine ganze Parade beliebter Stars, allen voran das aktuelle Traumpaar Sonja Ziemann und Rudolf Prack. Keiner der Darsteller des Originals wird erneut verpflichtet, Blumes Gesangspart als Monarch übernimmt der Opernsänger Kurt Reimann.

Alles läuft nach dem bewährten Schema von 1932. Gedreht wird Ende August bis September, erst in der Heide, dann in Berlin. Ein Remake eben, jetzt endlich in Farbe.

In der Vorberichterstattung im Branchenblatt „Die Filmwoche“ geht es vor allem um technische Details. Vorbei die Zeiten des knalligen Agfacolor! Nüchtern analysiert man die ersten Muster. Reporter Heinz Reinhard berichtet von Farbfilminnovationen bei dem „in ein zeitgemäßes Gewand gekleideten“ Film und meldet, dass die Außenaufnahmen

bei herrlichem Spätsommerwetter planmäßig unter Dach gebracht werden konnten. Zehn Ateliertage in Tempelhof schlossen sich an. Diesmal ist die Berolina vom Agfacolor-Film übergegangen zu Gevaert-Color, und die ersten Muster rechtfertigen die Auffassung, daß sich das Material für die Landschaftsaufnahmen besonders eignet und die bunte Postkartenromantik bei diesem Film entfällt.

Heinz Reinhard, „Grün ist die Heide“ – ganz aktuell. Die Filmwoche 40 (1951), S. 503.

Alles weiter nach Plan. Die Filmpremiere findet am 14. November statt, natürlich wieder im Palast-Theater in Hannover. Das Kino, im Krieg völlig zerstört, ist 1948 an alter Stelle neu aufgebaut worden. Als wäre nichts gewesen. Gerade ist das obere Foyer renoviert worden, ganz modern natürlich.

Erneut sind Filmstars vor Ort, jetzt sogar mit Jägerkapelle und Trachtengruppe. Die „Filmwoche“ berichtet gleich am 24. November 1951, ihr Reporter Ernst Bohlius war mit dabei:

Der Film hatte im Palast-Theater in Hannover einen glänzenden Start mit grünberocktem und trachtengeschmücktem Personal, Jägerkapelle und wirksamer Reklame in der Stadt. Die Tagespresse mockierte sich, aber: „Was dem Kritiker sien Uhl, ist dem Publikum sien Nachtigall!“ Der Applaus, der den elf anwesenden Darstellern von Ziemann bis Prack, dem Regisseur und dem Kameramann galt, hielt genau 32 Minuten an, und die Kassen sind zur Zeit auf Tage hinaus ausverkauft. Im Hinblick auf das Geschäft im Süden meinen wir: Was der krachledernden Romantik im Norden recht ist, sollte Hermann Löns dort billig sein.

Ernst Bohlius: Grün ist die Heide. Die Filmwoche 47 (1951), S. 642.

32 Minuten Applaus! Glänzender Start! Ausverkauftes Haus, auf Tage hinaus! Wieder wird der Film ein Kassenschlager, diesmal sogar stilbildend. Er begründet eine Welle von Heimatfilmen im bundesrepublikanischen Kino der Fünfziger Jahre. Und dies gelingt so gründlich, dass das Original von 1932 völlig in Vergessenheit gerät.

Fast gewinnt man den Eindruck, dass 1951 tatsächlich an die Stelle von 1932 tritt. So als könne man zurückgehen, nochmal von vorne anfangen und diesmal nicht falsch abbiegen. Und alles vergessen, was dazwischen liegt.

1951 ist aber nicht 1932. Ganz offensichtlich sollen zusätzliche Attraktionen, Schauwerte und die vielen Stars überspielen, was die Löns-Welt nicht mehr hergibt. Und was man nicht mehr wissen will.

Das fängt schon bei Lüthges Drehbuch an. Aus dem innerlich zerrissenen Wilderer Lüdersen macht er einen heimatvertriebenen Ostflüchtling, der in der Heide seinem verlorenen Großgrundbesitz hinterherjagt. Das hat nicht mehr viel mit Löns zu tun. Den Schlingensteller Specht, der sich 1932 am Ende als eigentlicher Wilderer entpuppt, ersetzt Lüthge durch eine umfängliche Nebenhandlung. Jetzt macht ein ganzer Zirkus Station in der Heide, Specht war bloß mit einem Planwagen unterwegs. Das gibt zwar Gelegenheit für Clownsnummern, Tiere in Käfigen und Manegenstimmung. Geht aber zu Lasten des Heidefeeling.

Bei der Besprechung des Films in der „Filmwoche“ am 24. November 1951 betont Rezensent Bohlius einseitig die Liebesgeschichte, Männer in Uniform heißen verniedlichend Grünröcke. Und werden in einem Atemzug mit Trachtenschmuck genannt. Bloß nicht von Uniformen sprechen. Alles harmloses Volkstum! So wie der plattdeutsche Spruch von Eule und Nachtigall.

Bohlius zeigt sich betont kritisch. Gegenüber der Hannoveraner Presse, die sich „mockiert“. Gegenüber der „krachledernen Romantik“ und dem „billig“ zurechtgemachten „Löns“, mit dem man schnell die Kassen füllt. Wenn alle hinrennen, kann das nichts sein.

Lob gibt es höchstens für die Technik. Wie die Kamera „die Kostüme in leuchtend bunten Farben wiedergibt und stimmungsvolle Landschaftsbilder hinzaubert“! Sie hilft nicht gegen die Langweile:

Hans Deppe führte Regie und versuchte das farbenfrohe, aber etwas langatmige Spiel mit dem immer wieder bewährten Trachtenfest, mit Wildererromantik und Zirkusatmosphäre aufzulockern. Die Besetzung ist schon eine halbe Abendkasse wert, selbst die kleinsten Episoden sind mit namhaften Darstellern besetzt.

Trachtenfest, Wildererromantik, Zirkusatmosphäre. Namhafte Darsteller. Zu viel von allem ist nicht unbedingt was Ganzes. Das Gesamturteil ist vernichtend:

Bobby E. Lüthge hat nun sein altes Drehbuch wieder hervorgeholt und zeitgemäß umfrisiert, nicht aber die Sentimentalität abgestreift. Die Heimatvertriebenen und die musikalische Untermalung von Aug. Strasser (Hammond-Orgel: Gerhard Gregor) werden sich zwar positiv auf die Kassenabrechnungen auswirken, machen aber die Handlung nur noch rührseliger.

Rührseliger Kitsch. Kasse machen. War das nicht genau das, was 1932 der NS-Kurier anprangerte?

In der „Filmwoche“ vom 15. Dezember 1951, als sich der überragende Erfolg des Films abzeichnet, berichtet Hellmut Stolp mit einer Militärmetapher vom „Kassensturm“ in den norddeutschen Großstädten. Und geht sofort auf Distanz: „Aber ist das ein Maßstab?“ Zuviel Begeisterung ist verdächtig. Vielleicht läuft man beim Stürmen ja wieder dem Falschen hinterher.

Zurück zur Löns-Romantik: Roy Black als neuer Karl Blume

1972 wird zum dritten Mal ein Film mit demselben Titel gedreht, eine Koproduktion der Terra-Filmkunst, der Allianz Filmproduktion und der Houwer-Film, jetzt mit neuem Plot. Der hauptverantwortliche Produzent Heinz Willeg war schon bei der Verfilmung von 1951 als Produktionsleiter mit dabei.

Sein neues Autorenteam bemüht sich erkennbar um eine Modernisierung des alten Stoffs. Die Monarchen werden zu drei Freunden aus der Großstadt umgeschrieben, die sich eine Auszeit nehmen und das einfache Heideleben erproben wollen. Wie die Jugendgruppen des frühen Heidetourismus übernachten sie in einer Heidehütte, Liebesverwicklungen schließen sich an.

Die Rolle des fahrenden Sängers übernimmt Roy Black, der zum Filmstart eine ganze LP mit Löns-Liedern veröffentlicht, im zeitgenössischen Easy-Listening-Bombast-Sound. Ganz anders als sein unmittelbarer, deutlich in die Jahre gekommener Vorgänger Rudolf Schock, der gesanglich noch immer Karl Blume verpflichtet ist. Zwei Löns-Lieder auf der LP sind ganz neu für Roy Black vertont. Er bietet wirklich moderne Volkslieder, für die Leute von heute.

Das führt auch der Film vor. Bevor Roy als moderner Monarch die Heide durchstreift, zieht er aus dem Bücherregal seines schicken Appartments ein paar alte Löns-Scharteken hervor. Warum nicht? Man nimmt ihm und seinen Mitstreitern das ehrliche Bemühen ab, den ollen Heften etwas Neues abzugewinnen.

Aber auch 1972 steht als Elefant im Raum, dass Löns nicht immer nur für harmlose Lieder stand, die die wandernde Jugend beim Heideausflug trällert. Junge Leute in der hippen Großstadt lesen vergilbte Heftchen von 1911, gehen zurück zum Original. Ein guter Ansatz. Aber was nach 1933 war, wird ausgeblendet. Als wäre es nie passiert. Das kann nicht funktionieren.

Wo ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Filmleute 1932 einfach so einen Unterhaltungsfilm drehen? Weil es das Drehbuch so will. Weil jeder Löns-Lieder kennt und singt. Weil man sich am Sonntag mal ablenken lässt. Das geht in der Bundesrepublik irgendwie nicht.

Abbildungsverzeichnis

LP „Roy Black, Grün ist die Heide“. Eigenes Archiv. Eigenes Smartphone.

Foto von Karl Blume. Westfälisches Musikarchiv im Stadtarchiv Hagen.

Verwendete Literatur

Heinz Reinhard: „Grün ist die Heide“ — ganz aktuell. Neuer Berolina-Farbfilm mit Prack, Ziemann, Fritsch, Stüwe, Holst. In: Die Filmwoche 40 (1951), S. 503. Link zum Internet Archive.

Das Palast-Theater in Hannover. In: Die Filmwoche 46 (1951), S. 631. Link zum Internet Archive.

Ernst Bohlius: Grün ist die Heide. In: Die Filmwoche 47 (1951), S. 642. Link zum Internet Archive.

Hellmut Stolp: Aus Norddeutschland. November-Fanfaren. In: Die Filmwoche 50 (1951), S. 701. Link zum Internet Archive.