„Grün ist die Heide“, endlich in den Kinos: Mit Pressearbeit zum Erfolg


„Grün ist die Heide“, endlich in den Kinos

Mit Pressearbeit zum Erfolg

Inhalt

Die Werbekampagne in der Presse

Nach der Party in Rotenburg geht es zurück nach Berlin für die Atelieraufnahmen. Das Deutsche Lichtspiel-Syndikat hat 1930 die Filmwerke Staaken AG, am westlichen Stadtrand von Berlin, übernommen. Beim dortigen Flughafen wird schon seit 1919 eine nach dem Krieg leerstehende, gigantische Luftschiffhalle für Filmaufnahmen genutzt. Eigentlich sollten in der Halle Zeppeline montiert werden. Man kann hier aber auch Monumentalfilme drehen. Die ehemaligen Zeppelinarbeiter zimmern jetzt Kulissen.

Staaken ist mit der neuesten Technik ausgestattet. 3 Mikrofone! Telefone! Die D.L.S. hat gerade zwei kleinere Ateliers für Tonfilmaufnahmen umgestaltet. „Man hat die Aufnahmeapparatur einfach zwischen die Trennungswand der beiden Ateliers eingebaut, so daß die eine Hälfte der Aufnahmekabine und des Tonmischraums in das Atelier 3, die andere Hälfte in das Atelier 4 hinüberragt“. Eine Etage weiter oben: „der Mischtisch für drei Mikrophone, der Kontroll-Lautsprecher, die elektrische Synchronzeichenanlage sowie die Verständigungstelephone“ (Film-Atelier 21, 1930).

Am 8. Oktober, so meldet die Presse, sind die Atelieraufnahmen beendet. Direkt danach beginnt Meister Behrendt mit dem Schnitt. Das dauert, schließlich müssen ja Aufnahmen von bis zu vier Kameras gesichtet werden.

Die D.L.S. rührt in der Zwischenzeit die Werbetrommel. Immer wieder neue Details gelangen an die Presse. Anfang Oktober erscheinen die ersten Produktionsfotos von den Außenaufnahmen in den Zeitungen. Im Solinger Tageblatt vom 3. Oktober sehen wir die drei Monarchen beim Picknick in der Heide. Blume als Mann mit der Gitarre.

Die Dresdener neuen Nachrichten zeigen am 9. Oktober lieber ein Foto des einheimischen Paul Beckers als Landstreicher: „Man darf gespannt sein, wie sich die persönliche Note dieses beliebten Dresdner Komikers in diesem neuen Milieu auswirkt.“

Camilla und Peter, das Heide-Liebespaar, kommen erst Ende Oktober zu ihrem Recht. Mit der Tanzszene aus Scheeßel! Außerdem wird die bevorstehende Uraufführung angekündigt.

Aus dem Hermann-Löns-Film „Grün ist die Heide“, der demnächst in Hannover zur Uraufführung kommt. Im Mittelpunkt der Handlung, die in der Lüneburger Heide spielt, stehen ein junges Mädchen, Grete (Camilla Spira) und der Forstgehilfe Walter (Peter Voß), die auf unserm Szenenbild gerade auf dem Heideschützenfest miteinander tanzen.“ (Zeitungsbildlegende)

In der Bildlegende aus der Zeitung ist aus dem Hochzeitsfest ein „Heideschützenfest“ geworden. Passt auch. Vielleicht sogar besser. Männer in Uniform, die ein Gewehr bedienen können, sind jetzt schwer in Mode. Ein Nachdreh des Brautzugs, in der Presse optimistisch angekündigt, ist bei knappem Budget und anstehendem Herbstwetter ohnehin wenig realistisch. Aber ein Schützenfest lässt sich aus dem vorhandenen Filmmaterial prima zurechtschneiden. Man muss sich nur zu helfen wissen! Ist doch eigentlich egal, wenn wir dafür das friedliche Hochzeitsfest zu einer paramilitärischen Veranstaltung umdeuten.

Mit dem fertigen Film geht’s zur Behörde. Am 10. November ergeht der erste Zensurentscheid. Der wird am 17. November nochmal geändert. Der Sachverständige des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hat die allzu trottelige Darstellung der Forstbeamten bekrittelt. Da muss gekürzt werden.

Die Premiere in Hannover

Dann, am 21. November, ist Welturaufführung des Films, „nicht wie sonst in Berlin, sondern in Hannover“. Ein prima Marketingschachzug. Hermann Löns hat in Hannover für die Zeitungen geschrieben und die Lüneburger Heide ist nah. Die „Sonderveranstaltung des Vereins hannoverscher Presse“ in den Palast-Lichtspielen ist ausverkauft, in der Agenturmeldung ist von „außerordentlicher Begeisterung“, einem „festlichen Ereignis“ und dem „reichen Beifall“ die Rede. Vor Ort anwesend sind Camilla und Peter, Theodor Loos und die drei Monarchen: Karl Blume, Fritz Kampers und Paul Beckers.

Die Palast-Lichtspiele in Hannover, auf einem Foto aus dem Jahre 1930, mit Retuschen.
Gerade läuft „Studentin Helene Willfuer“.

Gezeigt wird nicht einfach nur der Film, es gibt ein richtiges Programm. Der Ablauf des „Vorspiels“ folgt dem bewährten Muster der Castelle-Blume-Löns-Show. Karl Blume, ganz Minnesänger und Trobadour, gibt auf der Laute ein „Spielmannslied“ zum Besten. Und natürlich „Grün ist die Heide“, aber erst als krönenden Abschluss und Überleitung zum Film. Den Festvortrag, im Castellestil als „Prolog“ angekündigt, übernimmt William Torge, Schriftleiter des örtlichen Hannoverschen Kurier. Zusätzlich – es ist schließlich eine ganz besondere Feier – tritt ein Männergesangsverein auf. Das kennen wir sonst nur von der Einweihung eines Löns-Gedenksteins, wie in Solingen 1926 oder in Fallingbostel 1929.

Das Faltblatt, das die „Spielfolge“ der Uraufführung ankündigt und im Innenteil mit Blütenranken Heidegemütlichkeit verbreitet, ist außen betont modernistisch gestaltet. Filmtitel, Zeit und Ort sind in schlichten Lettern gesetzt, nüchtern wird auf die heavy rotation des Films in gleich zwei Hannoveraner Kinos verwiesen. Und: „Nach der Vorstellung trifft man sich in der STADTSCHÄNKE“!

So sind wir das von der Castelle-Blume-Löns-Show gewohnt, so kennen wir das vom Filmball in Rotenburg: Glamour und Stars treffen auf journalistische Zecherlustigkeit, zwangloses Plaudern beim Aftershow-Umtrunk. Blume mittendrin, ein patenter Geselle.

Bald geht der Film in ganz Deutschland in die heavy rotation. Durch ein erneutes Vorsprechen bei der Zensurbehörde erreicht das D.L.S. eine Jugendfreigabe, mit Zensurbescheid vom 01. Dezember. Endlich Familienfilm. Noch mehr zahlende Gäste. In Österreich, wo man Löns nicht kennt und mit der Lüneburger Heide relativ wenig anfangen kann, wird der Film als „Der geheimnisvolle Wildschütz“ im Verleih der Universal Pictures auf den Markt gebracht und für den 24. Februar 1933 angekündigt. Werbeslogan: „Ein Film der Jägerromantik“. So geht es auch.

Zweimal Karl Blume im Kino

Für Blume und seine Lieder zur Laute bleibt weiterhin Platz. Zu Weihnachten 1932 macht das Capitol-Theater am Riebeckplatz in Halle/Saale dem „deutschen Publikum das schönste Festgeschenk!“ Vom 22.-26. Dezember findet die Premiere „des ersten Hermann-Löns-Tonfilms“ statt: „Ein Film, wie er seit Jahren nicht gezeigt – wohl aber seit Jahren gewünscht wird! Unter Anwesenheit und Mitwirkung des Komponisten der Löns-Lieder Karl Blume.“

Das Inserat in der Zeitung, jahreszeittypisch von Tannendekor gerahmt, bringt die Standard-Filmwerbung. Aber anstatt eines filmischen Vorprogramms wird lieber ein Stargast angekündigt.

Da ist es wieder, das altbekannte Programm: Ein Männergesangsverein mit Jagd- und Heideliedern. Ein weihevoller Einführungsvortrag. Und vor allem: Karl Blume mit Liedern zur Laute. Wie im Rundfunk. Jetzt live bei uns. Auch in Halle/Saale hört man die WERAG.

Außerdem erscheinen die Blume-Songs aus dem Film auf Grammophon-Platten, gleich mehrfach. Telefunken, Gloria und Kristall veröffentlichen zum Filmstart Schellackplatten, die mit dem Hinweis auf den Tonfilm werben. Von „Grün ist die Heide“ hat Blume schon 1925 für Vox eine Schallplattenaufnahme gemacht, damals noch unter dem Titel „Das Geheimnis“. Jetzt mit neuem, zugkräftigen Titel. Und endlich der große Erfolg, den Blume verdient.

Was für ein Song! Das rollende „r“ bei „grün“ und „rot“ lässt niemanden kalt. Farben, gesungen wie ein leidenschaftliches Versprechen. Blume weiß, wie man Liebeslieder intoniert. Du musst das stärkste Gefühl aufrufen, das du empfinden kannst, und alles Empfinden in den Gesang legen: Trauer, Verzweiflung und banges Hoffen. Was man nicht sagen kann, liegt im Klang der Stimme: Ich sehne mich nach dir, ich vermisse dich, erhöre mein Flehen! Wozu viele Worte oder gar Erklärungen? „Grün“ und „rot“, das reicht. Mit rollendem „r“, denn du weißt es ja, bester Schatz. Die Herzen schmelzen dahin.

Der Weg zum Erfolg: Wellenreiten

Wie haben Neppach und sein Team den gigantischen Erfolg hinbekommen?

Ganz einfach: Sie haben die richtige Stimmung zum richtigen Zeitpunkt aufgeschnappt. Es ist wie beim Surfen. Du erkennst die Welle, während sie sich gerade aufbaut, springst im richtigen Moment auf und reitest auf ihr, als sie den höchsten Punkt erreicht hat. So lange, wie es geht.

Die Stimmung liegt schon lange in der Luft. Ein Ausflug in die Heide. Liebe und Zweisamkeit. Moderne Volkslieder, die jeder mitsingen kann. Klare Rollenmuster: Männer in Uniform und Frauen, die sich verführen lassen.

Neue Technik macht bald mehr möglich. Erst Musik aus dem Rundfunk, dann Kombinationsshows: Festvortrag, Lautenlieder, Landschafts- und Naturfilme. Für die Musik zuhause kommen die Grammophonplatten.

Trotz allem bleibt es konservativ und national. Laute statt Gitarre. Deutsche Volkslieder, modern vielleicht, aber im Minnesang-Look. Gedächtnisfeier-Festvorträge, würdevoll und ernst. Kulturfilme mit pädagogischem Gehalt. Jäger errichten Gedenksteine. Würdevoll, gefasst. Freude, immer nur mit Maß. Schaulust nie als Selbstzweck.

„Löns“ ist das Label für alles. „Grün ist die Heide“ der Song. Das wollen die Leute halt. Und der Tonfilm lebt vom Ticketverkauf. Hast du ein Problem?

Habe ich. Jetzt, 1932, ist alles irgendwie Uniform. Das Jägeroutfit. Die bündische Kluft für die Jugend. Das Trachtenkleid. Eine schöne Verkleidung, sitzt gut, sieht gut aus. Mal was Neues. Erst wenn du dich bewegen willst, merkst du, wie es kneift. Dich beim Lachen einengt. Ernst, Camilla, ernst! Warum stört das keinen? Vielleicht, weil jeder glaubt, dass man das auch wieder ausziehen kann. Für den nächsten Film dekorieren wir um, da trage ich ein ganz anderes Kostüm.

Und überhaupt: Es gibt ja auch noch eine ganz andere Verkleidung im Film, die ein Gegengewicht zu den uniformierten Hauptfiguren bildet: die Landstreicher-Klamotten der drei Monarchen.

Zum Inhaltsverzeichnis.

Zu Kapitel 12: Monarchen: Unangepasste, Bummelanten, Tagelöhner.


Abbildungsverzeichnis

Produktionsfotos zum Film. Public Domain. Eigenes Archiv.

Palast-Lichtspiele, Hannover (1930). Historisches Museum Hannover, Creative Commons 4.0. Link zur Deutschen Digitalen Bibliothek.

Faltblatt „Spielfolge zur URAUFFÜHRUNG des Europa-Films GRÜN IST DIE HEIDE“. Montag, 21. November 1932, Palast-Lichtspiele Hannover. Gemeindearchiv Scheeßel.

Anzeige für die Weihnachts-Filmaufführungen in Halle/ Saale mit Blume im Vorprogramm. Saale-Zeitung 21.12.1932, S. 14. Link zum Deutschen Zeitungsportal. Creative Commons 4.0.

Verwendete Literatur

Recherche im Deutschen Zeitungsportal.

  • Solinger Tageblatt 03.10.1932, S. 7: „Grün ist die Heide“
  • Lüdinghauser Zeitung, 05.10.1932, S. 10: „Kleine Filmgeschichten“ (Dreharbeiten)
  • Aachener Anzeiger, 08.10.1932, S. 19: Neues vom Film „Grün ist die Heide.“
  • Dresdner neue Nachrichten 09.10.1932, S. 5: Paul Beckers filmt.
  • Bünder Tageblatt 22.10.1932, S. 5: „Grün ist die Heide.“ Welturaufführung des Löns=Films in Hannover.“
  • Hildener Rundschau 27.10.1932, S. 6: Aus dem Hermann-Löns-Film „Grün ist die Heide“
  • Langenberger Zeitung 23.11.1932, S. 2: Grün ist die Heide. Welturaufführung des ersten Löns=Films.
  • Stuttgarter neues Tageblatt 02.12.1932, S. 9. Film jetzt auch für Jugendliche zugelassen.
  • Saale-Zeitung, 21.12.1932, S. 14: Anzeige für die Weihnachts-Filmaufführungen mit Blume im Vorprogramm

Berliner Film-Ateliers. Ein kleines Lexikon: Staaken. Link zum Cinegraph.

Flugplatz Staaken. Link zu industriekultur.berlin.

Werbung der Universal Pictures Ges.m.b.H. mit Ankündigung des Films „Der geheimnisvolle Wildschütz“. Österreichische Filmzeitung Heft 50 (1932) vom 10.12.1932, S. 2. Link zur Österreichischen Nationalbibliothek.

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