Drehberichte zu „Grün ist die Heide“ September 1932

Mittig vorne die drei „Monarchen“, Karl Blume (mit Gitarre), umgeben von den Scheeßeler Vereinen. Hinten, auf einem Ackerwagen, der Musikverein mit Männerchor.
Hinten links Oberregisseur Behrendt, der Kommandos von einem zweiten Ackerwagen aus gibt. Behrendt hält die Hand vor sein Gesicht, um das inszenierte Trachtenfest nicht zu stören. Weiter rechts, außerhalb des Bildes, aber in Behrendts direktem Sichtfeld, der gezimmerte Tanzboden für Camilla und Peter.
Über die Dreharbeiten zu „Grün ist die Heide“.
Zu den Monarchen der Heide.
Filmzauber über der Lüneburger Heide
Hermann Löns wird in Scheeßel verfilmt. – Der Tonfilm entdeckt die Heideschönheit. – Heimatfest und Heidelied.
Scheeßel, 18. September.
Seit einigen Tagen herrscht Hochbetrieb in der Heide um Scheeßel und Rotenburg. Ungewohnte Gäste haben hier Quartier bezogen und sind gewaltig am Arbeiten. Nicht nur Fidi und Grete und Karl und Mariechen knutschen sich dort, wo die Heide am einsamsten ist, sondern Richard Voß busserlt sich mit der Camilla Spira, Fritz Kampers reißt häßliche Witze dazu, und die Herren v. Wolzogen, Behrend, Neppach und wie sei alle heißen, klatschen Bravo dazu, oder besser: hinterher, denn die Tonkamera verzeichnet alles, auch solche Beifallsbezeugungen, die im Drehbuch nicht vorgesehen waren. Die Sache ist nämlich die, daß der Tonfilm die Heide entdeckt hat; daß das Deutsche Lichtspielsyndikat eine Expedition ausrüstete, die aus Stars, Funktionären, Technikern, Komparsen, einem gewaltigen Troß also, und einer Baggage besteht, die in dem Bestreben, durch engste Anlehnung an die bodenständige Volkskunst möglichste Echtheit und Naturtreue zu erzielen, einen Film drehen will, der das Heideerlebnis schildern will. Lüthge und Braun haben in Hermann Löns einen dankbaren Vorwurf für die Filmmanuskripte gesehen und einen Fillm „Grün ist die Heide“ geschrieben, der von der Natur erzählt, von Menschenlust und Menschweh, von der Liebe und der Treue, dem Abschiednehmen und dem Heimweh. Von allem, was durch Löns‘ Lieder geht, die längst edelstes Volksgut geworden sind: „In der Lüneburger Heide, in dem wunderschönen Land ..“
Am Sonntag wollte man in Scheeßel zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, nämlich die am 11. September infolge Regens abgesagte Trachtenschau für ein paar lohnende „Einstellungen“ ausnutzen, wie es in der filmischen Fachsprache heißt; es sollten also die Veranstaltungen gelegentlich des heute nachgeholten Heimatfestes zugleich ein paar Volksszenen in dem neuen Heidefilm ergeben. – Schon vom frühen Nachmittag ab herrscht eine emsige Geschäftigkeit in Scheeßel. Dem auswärtigen Besucher, der gegen die Mittagszeit an dem trutzigen, alten Kirchlein vorbeikommt, bietet sich ein schönes Bild bodenständiger Heimatsitten. Der Gottesdienst ist aus, und die Kirchgänger schreiten gemächlich ihren Behausungen zu. Die Männer mit braunen, zerknitterten, faltigen Heidjergesichtern, mit steifer, schwarzer Mütze und der landesüblichen hochgeschlossenen Weste; die Frauen mit faltenreichen, langen Röcken, mit bunten Häubchen, die je nach dem Alter anders gefärbt und gewirkt sind, vereinzelt noch mit den schönsten Bändern und dem wattigsten Rundrock geschmückt. Im Meyerhof versammeln sich die Festteilnehmer. Die Filmgewaltigen laufen dort schon besorgten Gesichts herum, denn die Sonne will und will nicht hinter den Wolken heraus. Alte Bauern werden befragt, und weil sie sich optimistisch äußern, wird beschlossen, die Aufnahme zu drehen.
Vor einer Heidekate wird schnell der Tanzboden gelegt (jawohl – „Tanz im Freien“!), und die lustig fiedelnde und schmetternde Musik nimmt auf dem grünen Leiterwagen vor der Scheune Platz. Alte, freundliche Omas, mit lieben, runzligen Gesichtern, in die die Arbeit ihre Spuren eingegraben hat, werden an Kaffeetafeln gesetzt, wo die Faust sich um die Tasse klammert, und duftender Butterkuchen wartet. Fritz Kampers, der einen Strolch hergeben muß, und sich, später, bei der Aufnahme ein paar Kuchenstücke mopsen wird, stiehlt sie so echt, daß die Omas ganz vergessen, daß nur gespielt wird, und so ehrlich entrüstet sind, daß dem Regisseur das Herz im Leibe lacht. – Die Feuerwehr kommt („Gut Schlauch!“) bei Bier in Stimmung, eine Spielschar mit Klampfen singt Lönsweisen, und bald ist der Platz ein Bild echtesten, heimattreusten Volkslebens.
Achtung Aufnahme! Die Regisseure und Operateure arbeiten fieberhaft, und während auf den Brettern mit Gejuchze und Gestampfe die Jungburschen, bunte Bänder und Blütenreife am Hut, die smuken Deerns schwenken, sind die Stars angekommen. Eine Weile schauen Camilla-Grete, weizenblond mit kirschrotem Mund, und der Förster Fritz, Richard Voß, den festlichen Tänzern zu, denn altes Heidevolksgut erlebt heute wieder eine Auferstehung. Die „Schottskadrillje“ (Schottische Quadrille), der „Windmüller“, der „Achterüm“, „Söbensprung“ und Kontrawalzer werden getanzt, und es ist eine Lust, den herrlichen, schwierigen Tänzen zuzusehen, die alle reibungslos klappen. Dann wird der Brautwalzer aufgespielt, und Fritz und Gretzel tanzen ihn, traurig, den nun werden sie sich trennen müssen. „Viiiiiel trauriger!“ ruft der Regisseur. Trotz Tonfilms? Jawohl, denn nur die Bilder, nicht die Begleitmusik und -geräusche werden bei diesen Massenszenen aufgenommen, technischer Schwierigkeiten wegen. Dafür steht ein besonders musikalischer Filmmann neben der Kapelle und skizziert schnell die Hautpthemen und -motive der Begleitmusik, nach denen in Berlin eine Melodie geschrieben wird, die, auf elektisch-optischem Wege neben das Filmband kopiert, „nachsynchronisiert“ wird.
Lustige Stimmung herrscht auf dem Tanzplatz, der Bräutigam, in großväterlichem Zylinder, schwenkt jetzt im Solo die Braut, die die bunte, schwere „Brautkiepe“ trägt. Die Feuerwehrmänner schäkern mit den Omas, überall geht’s fröhlich her – „Brüder, laßt die Gläser klingen“, so heißt es bei Hermann Löns, und
„Ei, du Hübsche, ei, du Feine,
Ei, du Bild wie Milch und Blut …“
mag es wohl manchem Vertreter des starken Geschlechts durch den Sinn gehen, wenn er Camilla Spira sieht, die „Greta Garbo von Scheeßel“. Von Scheeßel, das doch nicht einmal ein Kino besitzt! Der erklärte Liebling bei groß und klein ist aber doch Fritz Kampers, der Anführer der „drei Monarchen“, eines norddeutschen Lumpazivagabundus-Kleeblatts. Ganz echt, ganz saftig sieht er in seiner Kluft aus, die so abgerissen ist, das ihn der nächste Windstoß „entblättern“ könnte. Als zum Schluß noch einmal „Brut Brögam“ geknipst werden, schnappt Fritze einfach nochmal die sich schamhaft sträubende Braut und läßt sich unter dem jubelnden Beifall der vielen Zuschauer auch mit der schmucken Deern photographieren!
Leider verfinsterte sich der Himmel mehr und mehr, einzelne große Tropfen schlugen klatschend auf die emsig schnurrenden Kameras, und bald setzte ein Guß ein, der zum schleunigsten Aufbruch trieb. Vorbei, der Tonfilmzauber im schönen Heidestädtchen Scheeßel; auf Wiedersehen – im Kino!
Und am Abend war großer Filmball in Rotenburg, die Füllhaltertinte floß bei den Prominenten in Strömen – – –!
Hans Ordemann
Nordwestdeutsche Zeitung, Montag 19.09.1932
Grün ist die Heide
Scheesseler Bauernhochzeit im Löns-Gedächtnisfilm
Scheessel, 19. September. Scheessel hatte seinen großen Tag. Schon am vorigen Sonntag sollten die Aufnahmen des Hochzeitsfestes und des Brautzuges im Rahmen der Tonfilmaufnahmen zu dem Hermann-Löns-Gedächtnisfilm „Grün ist die Heide“ stattfinden; sie waren zu Wasser geworden. Am gestrigen Sonntag war es jedoch so weit, daß man von Rotenburg aus in Scheessel gewissermaßen eine Filiale aufschlagen konnte. Eine ganze Reihe von Kraftwagen setzte sich nach Scheessel in Bewegung. Unter den Filmschauspielern befindet sich auch Theodor Loos, der Darsteller des Günther im Nibelungenfilm, um nur die bekannteste Rolle zu nennen. Auffällig ist sein verschlossenes, verbissenes Gesicht, und von eingeweihter Seite hört man bestätigt, daß Loos sich derartig in seine Rollen einlebt, daß er auch während der Aufnahmepause nicht aus ihr herausgeht. In dem Film wird er die Rolle des Vaters der Camilla Spira, eines verarmten Grund- und Gutsbesitzers, spielen, der aus Jagdleidenschaft und Liebe zur Scholle seiner Väter zum Wilderer wird.
An der Dorfstraße, an einem wundervoll gelegenen Platz, vor einem etwas zurückliegenden Bauernhause, im Hintergrund abgeschlossen von dunklem hohem Tannenwalde, hat man eine kleine Tanzfläche zusammengezimmert, sozusagen die Bretter, die die Welt bedeuten. Das ist nun allerdings eine ganz besondere Welt, die wie hervorgezaubert unter den routinierten Händen und Anweisungen des Oberregisseurs Behrend und seines Stabes entsteht. Verblüffend das konstruktive, aber doch so absichtslose und natürliche Bild, wie es nach und nach immer voller wird, wie Leben hineinkommt und Bewegung: wieder ist man entzückt von der prächtigen Wirkung der alten Volkstrachten, die die jungen Leute, Burschen und Mädchen, zum Tanz angelegt haben. Von ihnen unterscheiden sich deutlich Braut und Bräutigam.
Er trägt einen hohen schwarzen Zylinder und sie eine hohe kunterbunte Krone oder besser Haube. Lustig, juchzen und drehen und gehen, springen und tanzen sie im Takt der Kapelle, die mit Fidel und Baß, mit Trompete und Flöte auf einem Ackerwagen residiert. Davor an langen Tischen mit Bergen von Kuchen und wahren Kübeln von Kaffee, die Omas und Opas, die voller Vergnügen bei der Sache sind und denen man nichts Komparsenhaftes anmerkt. Das tritt zur allgemeinen Heiterkeit und zur hellen Freude Meister Behrends besonders in Erscheinung, als unter dem lustigen Schnurren der Kamera, die von drei oder vier Seiten zugleich das Bild einfangen, die drei Monarchen, die Heidestromer, ins Bild geschlendert kommen, sich an die Omas heranmachen und einige Kuchen klauen; köstlich die ehrliche Entrüstung und Abwehrversuche, die von dem gemütlichen Kampers, einer herrlichen Type, gar bald in wohlwollende Heiterkeit verwandelt werden. Nach den drei Monarchen gehen unter allgemeinen Rufen der Bewunderung und des Entzückens Camilla und Peter, die Heidetochter und ihr junger Jägersmann in Szene; freundlich nach allen Seiten grüßend, gehen sie zur Tanzfläche um mitzuwalzen, aber nicht lustig, denn „ernst, Camilla, ernst!“ ruft Meister Behrend; das Drehbuch will es so und so tanzen die beiden denn sehr sittsam, wohlanständig, in gemessenem Ernst.
Dann rücken die Apparate heran: Großaufnahmen werden gedreht; eine wundervolle Szene haben die drei Heidestromer, unter ihnen Karl Blume mit seiner Gitarre, inmitten der Spielschar eines Jugendbundes, die in ihrer schmucken bündischen Kluft, wundersame, poesievolle Volkslieder singen und auf ihren Instrumenten spielen: in der Tat, eine fein abgestimmte, tief empfundene Szene. Dann wird der Tisch der Omas und Opas noch einmal unter die Lupe genommen und in Großaufnahme das Kuchenklauen wiederholt.
Doch allzu rasch ward der Lust ein End gemacht: Die Sonne hatte sich bald ganz und gar hinter regenschweren Wolken verborgen und plötzlich fegt Jupiter Pluvius mit einem rauschenden Guß alles auseinander: alles rennet, rettet, flüchtet; doch auch aus dieser tollen Situation weiß Meister Behrend noch etwas zu machen: Es wird die Fluchtszene gekurbelt und in einigen Details sogar wiederholt, bis alles sein rettendes, schützendes Dach aufgesucht hat und die noch eben so buntbelebte Tanzfläche sehr trist daliegt.
Dann ists endgültig vorbei für heute mit der Filmerei; der Brautzug muß verschoben werden. Nach und nach tritt die Karawane den Rückzug nach Rotenburg an; Scheessel hat seinen großen Tag hinter sich; während in Rotenburg ein Abschiedsball abends die Rotenburger und ihre Gäste zu Gesang und Tanz vereinigt, bis auch Rotenburg bald wieder Ruhe hat und ihm nichts anderes bleibt, als sich auf die Aufführung des Films zu freuen, mit dem sie so manche schönen Erlebnisse verbinden: „Grün ist die Heide, die Heide ist grün.“
Hamburgischer Correspondent (Morgenausgabe) Dienstag 20.09.1932.
Filmaufnahmen
Nach einigen sonnigen Tagen zeigte sich am Sonntag der Himmel wieder von der unangenehmen Seite, und das gerade an dem Tage, der für Scheeßel mal wieder etwas Besonderes, nämlich die Filmaufnahmen für den Film „Grün ist die Heide“ bringen sollte. Am frühen Nachmittag sammelten sich zahlreiche Zuschauer am Meyerhof, um den Aufnahmen beizuwohnen. Kurz nach 1 Uhr erschien der Stab der Filmleute, mit kritischen Blicken wurde der grau bedeckte Himmel angesehn und nach langen Erwägungen doch beschlossen die Aufnahmen zu machen. Handwerker beeilten sich, auf dem Behrenschen Hofe am Meyerhof den Aufnahmeplatz herzurichten. Aufnahmeapparate wurden aufgebaut und schußfertig eingestellt. Inzwischen waren die Hauptdarsteller des Films erschienen, genügend bewundert und als Fritz Kampers, Karl Blume, usw. als Perlen der Landstraße erschienen, natürlich auch genügend belacht. Weiter waren vollzählig zur Stelle die hiesigen Mitspieler in ihren alten Trachten, die Musikanten, die Feuerwehr, der Reitverein, die Spielschar, Trommler und Pfeifer usw. Nach einer Probe begannen beim ersten Sonnenstrahl die Aufnahmen. Lustig klangen die uns so wohlbekannten Klänge und im Tanze drehten sich mit den Hiesigen die Filmstars Camilla Spira und Peter Voß. Zwischen den Tanzenden promenierten mit verschmitzten Gesichtern die im Film ebenfalls eine Hauptrolle spielenden Vagabunden. Von den Hunderten die den Spiel zusagen, ließen sich viele ebenfalls filmen. Der Himmel, der bis dahin scheinbar selbst Lust zu diesem Treiben hatte, störte dann ganz plötzlich mit einem ergiebigen Regenguß die Aufnahmen. Verlassen lag die Tanzfläche und nur die Aufnahmeapparate fanden von schützenden Regenschirmen bedeckt noch zahlreiche Motive. Da eine schnelle Aufklärung nicht zu erwarten war, mußte der Brautzug ausfallen und die Vereine konnten abziehen. In Behrens Saal fand anschließend für die heimischen Mitspieler eine Kaffeetafel statt. Da zu erwarten steht, daß die Aufnahmen bei dem trüben Wetter nicht alle restlos glückten und daß der Brautzug im Film unbedingt Aufnahme finden soll, ist damit zu rechnen, daß im Laufe der nächsten Zeit nochmals in Scheeßel Aufnahmen gemacht werden, denen dann hoffentlich besseres Wetter beschieden ist.
Scheeßeler Zeitung 20.09.1932.
Filmstars, Heide, Regen und Sonne
Ein Löns-Film wird gedreht – Die Kamera schnarrt dahinten in der Heide
Das Deutsche Lichtspiel-Syndikat drehte in der Umgebung Rotenburgs Außenaufnahmen für den Löns-Film „Grün ist die Heide …“, der nach seiner Fertigstellung in 4 bis 5 Wochen voraussichtlich in Hannover in den Weltspielen und Palast-Lichtspielen anlaufen wird.
Man muß sich vorstellen, daß einer, der die die wohltätigen Vorzüge langen Schlafens zu schätzen weiß, um 5 Uhr — morgens! — aufsteht, um zur rechten Zeit dabei zu sein, wenn sie dahinten in der Heide Aufnahmen zu einem Löns-Film drehen, und daß er, kommt er in Rotenburg an der Wümme an, die Filmstars nicht vor der Kamera trifft, i bewahre, sondern auf der Kegelbahn — man muß sich das vorstellen, und Einsichtsvolle werden begreifen, daß es im Leben eines Mannes Ereignisse gibt, die ihn in bedenkliche Nähe des Alkohols bringen. Zumal, wenn sich die Meteorologie in einem dickfälligen Nebel gefällt, wie ihn keine Jupiterlampe durchdringen könnte. Kegeln ist gewiß ein nützlicher, ein gesunder und dabei vergnüglicher Sport aber für einen, der die selbstquälerischen Mühsale eines Frühaufstehers auf sich nimmt, um zu sehen, wie die Heide gefilmt wird, ist es eine herbe Enttäuschung. Selbst die gütige Einladung Camilla Spiras, beim Kegelschieben mitzuhalten, kann sie nur milde dämpfen.
„Gut Holz!“ — da sind sie alle beieinander. Der Produktionsleiter von Wolzogen, der Regisseur Hans Behrendt, Camilla Spira (so blond, so blond), die eine Heidedeern spielen wird, und Theodor Loos, der ein verarmter Gutsbesitzer sein wird. Peter Voß auch, im Film der junge, junge Jägersmann im grünen, grünen Kleid, vorläufig noch Kapitän einer Kegelmannschaft, die ihre Gegner mit 122 zu 99 Punkten aus dem Rennen wirft. Fritz Kampers und Karl Blume, der Komponist des Liedes von der grünen Heide, die zusammen mit Paul Beckers, dem Fliegentüten-Heinrich aus alten Tagen, drei Vagabunden, drei „Monarchen“, spielen werden. Und der ganze kriegsstarke Stab der Regie.
Eine Woche und länger schon sitzen sie an den Ufern der Wümme. Das Wetter spielt Frau Ilsebill – es will nicht so … Derweil frischt man für den internationalen Tonfilm englische Sprachkenntnisse auf. Man spielt Schach. Man legt Patiencen (Camilla Spira bevorzugt den „Teppich“ und das „Herz“). Man kegelt. Man liest. Man geht abends — wohin soll man schon gehen? — in den Film, in das Kinematographentheater — die „Lustigen Musikanten“ laufen, in Anwesenheit zweier Hauptdarsteller, Camilla Spiras und Fritz Kampers‘ eine Sensation für Rotenburg! Man hält ein Tänzchen mit den Heidjern, und man wartet und wartet, bis sich endlich das Wetter zu ein paar sonnigen Tagen herbeiläßt. Die nutzt man mit beiden Händen bis auf die letzte Minute aus, so daß am Ende Paul Beckers, der abends in Berlin wieder auf der Bühne spielen muß, mit einem Rennwagen zurückgebracht werden muß.
An diesem Vormittag steht man wieder wartend vor dem Rotenburger Hof und mißbilligt den grauen Himmel, der nicht mitspielen will. „Da kann man denn nu ja woll nichts machen, nich?“ sagt Peter Voß, der Schleswig- Holsteiner, und „dascha wahr“, sagt Camilla Spira, die Hamburgerin (aber der Papa ist aus Wien). Kann man schon nicht filmen, so kann man sich wenigstens ein gutes Stückchen davon erzählen lassen. Von all den tückischen Zwischenfällen, die bei Außenaufnahmen fällig sind. Von dem Hausierwagen, den man für einige Szenen braucht, in dunkler Nacht aufspürte und anhielt, und dessen Kutscher Wegelagerer vor sich zu haben glaubte und in voller Karriere davonpreschte. Und von den Schwierigkeiten, die man anfangs im Dialekt vermutete. Mußten die drei Vagabunden nicht die Sprache der Heidjer sprechen? Sie mußten nicht. Denn siehe, der erste wirkliche Monarch, den man traf, sprach — ei verdimmich! — das reinste Säck‘sch.
Nachmittags entschließt sich der Himmel, ein bißchen heller zu werden, und alsbald starten die Kraftwagen mit Mann und Maus nach Scheeßel. Da ist zwischen strohgedeckten Häusern ein Tanzboden aufgeschlagen. Die Männer in Schirmmützen und blauen Hemdsärmeln, die Mädchen in Lila und Grün, die Feuerwehr, der Reiterverein, die Musikanten warten. Vadder und Mudder sind dabei, sitzen draußen bei Kaffee und Kuchen, „he smeckt noch jümmer“, sagt Mudder, und „jo, dat segg man!“ sagt Vadder. Haben sich feingemacht, wollen alle mitspielen. Zwei Kameras sind aufgebaut, die eine an der Tanzfläche, die andere auf einem Ackerwagen. Und dann geht es los! Geige, Klarinette, Trompete, Posaune und Kontrabaß spielen den „Bunten“ auf, Jungs und Deerns in ihrem Staat, Braut und Bräutigam im Hochzeitsschmuck drehen sich und wiegen sich, und die Kamera beginnt zu schnarren. Theodor Loos geht durch das Bild, Camilla Spira in schwarzem Samtkleid und goldgestickter Haube und Peter Voß kommen, die drei Vagabunden schnorren sich am gedeckten Tisch der Alten vorbei, Regisseur Behrendt gibt Kommandos, die Hilfstruppe der Assistenten drängt die Schaulustigen zurück, und wer artig ist und nicht in den Apparat guckt, darf ein wenig mitspielen. Der Herr Gendarm nimmt die Gelegenheit wahr und geht auch einmal durch die Szene. Dann spielen die Musici einen Walzer, „Guter Mond, du gehst so stille“. Camilla Spira und Peter Voß tanzen mit, ernsten Gesichts, wie das Manuskript es verlangt. Wieder läuft schnarrend das Filmband durch die Kamera, wieder kommandiert Regisseur Behrendt von seinem Ackerwagen aus, bis sich das Wetter von neuem einmischt. Es kommt, just wie das Manuskript es vorschreibt, mit Wind und Regen daher, und jagt das Fest mit all seinem Trubel schnell auseinander, Tänzer und Tänzerinnen, Reiter, Feuerwehrleute und Vadder und Mudder.
Ueber die regennaße Straße surren die Kraftwagen nach Rotenburg zurück. Autographenjäger warten. Und abends wird getanzt. Die Scheeßeler werden da sein und lassen Camilla Spira bestellen, sie möchte in ihrem Trachtenkleid kommen. Haben, wie man so sagt, einen Narren an der Camilla gefressen, die Scheeßeler.
Abends, als die heimkehrenden Wagen mit weißem Lichtkegel in die Dunkelheit der Straßen vorstoßen, zeigt sich der Himmel noch einmal in der ganzen Launenhaftigkeit eines Stars. Der Kamera wie zum Hohn, spannt er sich nun wolkenlos und mondklar über die schweigende Heide.
Hans J. Toll
Hannoverscher Kurier. Morgen-Blatt 23.09.1932
Quellenverzeichnis
Hans Ordemann: Filmzauber über der Lüneburger Heide. In: Nordwestdeutsche Zeitung, Montag 19.09.1932. Gemeindearchiv Scheeßel.
Grün ist die Heide. Scheesseler Bauernhochzeit im Löns-Gedächtnisfilm. In: Hamburgischer Correspondent. Morgenausgabe, Dienstag 20.09.1932, S. 4. Link zum Deutschen Zeitungsportal.
Filmaufnahmen. In: Scheeßeler Zeitung, Dienstag 20.09.1932. Gemeindearchiv Scheeßel.
Hannoverscher Kurier. Morgen-Blatt 23.09.1932, S. 8: Hans Joachim Toll, „Filmstars, Heide, Regen und Sonne. Die Kamera schnarrt dahinten in der Heide“. Link zur Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover.