Die Castelle-Blume-Löns-Show: Mit dem Film aus der Provinz bis nach Berlin


Die Castelle-Blume-Löns-Show: Mit dem Film aus der Provinz bis nach Berlin

Inhalt

  1. Castelles Karriereknick
  2. Die Castelle-Blume-Löns-Show 1928/1929
  3. Fallingbostel 1929 und die Folgen

Castelles Karriereknick

„Das Geheimnis“, immerhin bereits 1915 im Schützengraben komponiert, entpuppt sich nur langsam als Hit. Blume schildert im 1934-Interview im Bonner Cafehaus, wie aus dem Weltkriegssong ein modernes Volkslied wird:

Anfangs, so erzählte Blume, sei das Lied von der grünen Heide aus der Zahl der anderen nicht sehr hervorgestochen. Das erstemal habe er aufgehorcht beim Bau seiner Hütte in Lohausen bei Düsseldorf, wo es Arbeiter bei der Arbeit sangen. Dann einige Zeit später, lange nach dem Kriege, im Düsseldorfer Hofgarten, dort pfiff ein Mann die vertraute Melodie vor sich hin. Begeistert sei er nach Hause gekommen zu seiner Frau: „Du, heute hat jemand im Hofgarten mein ‚Grün ist die Heide‘ gepfiffen!“ Monate später trifft Blume in der Düsseldorfer Altstadt einen Zitherspieler, der es immer wieder spielen muß.

Karl Blume der beste Barde Löns‘, Deutsche Reichszeitung 27.09.1934, S. 4

In Rheinland und Westfalen ist „Grün ist die Heide“ dank des Rundfunks Ende 1927 schon ein Schlager, den jeder kennt. Fehlt immer noch der Rest von Deutschland. Wie stellen wir das an, dass er auch hier einschlägt wie eine Granate? Rundfunk reicht nicht, wir brauchen den Film!

Den Anfang macht Castelles Karriereknick. Als er 1927 endlich Leiter des Senderaums Düsseldorf wird, ist dessen Fortbestand schon gefährdet. Mit dem neuen Sender Langenberg und dem Umzug der WERAG nach Köln setzt eine Neuorganisation des Rundfunks ein, die den Senderaum Düsseldorf unter Druck setzt. Die Sendestellen Elberfeld und Dortmund werden vom Netz genommen, der Senderaum Düsseldorf schließt am 1.4.1930. Castelle fürchtet wohl schon 1928 um seinen Posten und sieht sich nach neuen Einkommensquellen um. Es bleibt ihm nicht anderes übrig: Er muss wieder auf Tour. Heute hier, morgen da.

Im Dezember 1929, kurz vor der endgültigen Aufhebung des Senderaums Düsseldorf, kommentiert der sozialdemokratische „Volkswille“ Castelles Aktivitäten als Sendeleiter und darüber hinaus:

Am bequemsten war es ihm Komiker und Humoristen, die in den Düsseldorfer Varietees und Kabaretts engagiert waren, zu verpflichten. Und als es so natürlich nicht ging, ließ Dr. Castelle den Rundfunk laufen, wie er lief, kramte seine Erinnerungen an Hermann Löns aus und ging damit und mit einem Film „Hermann Löns und seine Heide“ auf Tournee durch die Kinos Deutschlands.

Volkswille. Organ der sozialdemokratischen Partei 22.12.1929, S. 4

Castelles Karriereknick ist Blumes Weg zum Erfolg. Zeit für die Blume-Castelle-Löns-Show! Erst der Rundfunk, jetzt der Film. Das ziehen wir ganz groß auf. Auf Tournee durch die Kinos Deutschlands!

Erstmal brauchen wir einen Titel! Na klar, „Hermann Löns und seine Heide“, so heißt doch der Castelle-Prachtband von 1924, den die Leute zu Hause im Bücherregal stehen haben. Wer in gedruckten Bildern durch die Stätten seiner Werke wandert, der geht bestimmt auch für bewegte Bilder ins Kino. Sicherheitshalber erklärt uns Castelle weiterhin, wie Heide und Löns zusammenhängen. Seine Löns-Abende sind legendär und bleiben das geheime Zentrum der Veranstaltung, gerade weil die bewegten Bilder noch stumm sind. Und: Lönslieder muss man singen! Also spielt Karl Blume auf. Den kennt man von seinen Touren als Lautensänger, auf jeden Fall aber aus dem Rundfunk von der Löns-Gedächtnisfeier 1927. Und er hat einen Hit im Gepäck: „Grün ist die Heide“. Eine sichere Bank. Jetzt fehlen nur noch die Filme. Kein Problem, die Firma „Naturfilm Hubert Schonger“ aus Berlin hat die passenden Dokumentarfilme im Angebot. Was kann da noch schief gehen?

Das Paket aus Vortrag, Musikauftritt und Film schnürt der „Kulturfilmdienst Roland“ aus Düsseldorf zusammen, der den Kinos gegenüber als Verleiher auftritt. Absprachen laufen problemlos. Blume wohnt schon viele Jahre in Düsseldorf, Castelle geht ja ohnehin in den „Düsseldorfer Varietees und Kabaretts“ ein und aus. Der Kulturfilmdienst organisiert die Filmrollen aus Berlin und macht Werbung bei den Kinos.

Und so läuft die Castelle-Blume-Löns-Show: Friedrich Castelle ist für den Einführungsvortrag zuständig, für den er die auswendig gelernten Versatzstücke seiner Löns-Abende verwendet. Dann spielt und singt Karl Blume einige Lieder von Hermann Löns aus dem „Kleinen Rosengarten“ auf der Laute, jeweils in seiner eigenen Vertonung. Meist sind die Lieder dabei, die er schon im August 1927 im Rundfunk präsentiert. Auf jeden Fall aber „Grün ist die Heide“. Schließlich gibt es zwei sogenannte Kulturfilme in je 3 Akten von „Naturfilm Hubert Schonger“: „Der Naturschutzpark in der Lüneburger Heide“ (Zensurentscheid 18.06.1927) mit Landschaftsaufnahmen und „In Bruch und Moor“ (Zensurentscheid 31.03.1926) über die Menschen und Tiere der Heide. Das Baukastenprinzip der Show ist ein Vorteil: Die Reihenfolge der Programmpunkte kann je nach Stimmungslage oder technischen Voraussetzungen vor Ort variert werden. Und wer die Filme nicht mag, freut sich auf Blume und Castelle. Oder umgekehrt.

Die Castelle-Blume-Löns-Show 1928/1929

Kick-off für die Tour ist Sonntag, der 2. Dezember 1928 in Düsseldorf. Die Location ist mit Bedacht gewählt. Das Planetarium, auch Rheinhalle genannt, ist gerade als Mehrzweckhalle zum Start der großen „Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen“ erbaut worden, die vom 8. Mai bis 15. Oktober 1926 in Düsseldorf stattfand. Die GeSoLei wird die größten Messe der Weimarer Republik, geplant als industrielle Leistungsschau nach dem Ende der Ruhrbesetzung, vor allem ein riesiger Vergnügungspark. Castelle kennt sich aus, auf dem Messegelände stand der erste provisorische Senderaum Düsseldorf.

Die Presse kündigt an:

Sonntag, den 2. Dezember,
abends 8 Uhr:
Hermann Löns und seine Heide
Eine Wanderung in Bild und Film
Vortrag: Dr. Friedrich Castelle
Lieder zur Laute: Karl Blume
Preise: 1,— und —.75 Mk.

Danach tingelt die Castelle-Blume-Löns-Show bis mindestens Mai 1929 durch das Rheinland, das Ruhrgebiet bis nach Ostwestfalen. Manche Kinos buchen lieber eine Matineevorstellung am Sonntag, das heißt dann „Löns-Morgenfeier“. Für die ganze Familie, am Feiertag zum Entspannen und Besinnen. Jedenfalls ein Erfolgsrezept. Vor den Kinos Pilgerscharen. Ob morgens oder abends, fast immer ist die Bude restlos ausverkauft. Die Besucherzahlen gehen in die Tausende!

  • Bielefeld, Gloria- und Palast-Theater: „In hellen Scharen pilgerten die Bielefelder zu den beiden Kinos, wo Lied und Wort und Film sich vereinigten, in wintermüde Stadtseelen einen naturhaften Hauch aus Lönsscher Welt zu tragen.“
  • Essen, Ufa-Palast: „An drei aufeinander folgenden Sonntagen gibt das Lichtspielhaus Löns=Morgenfeiern. Jedesmal ist das Theater fast ausverkauft. Man kann sagen, es haben 5000 Menschen insgesamt Löns gehört. Magie des Kinos!“

Castelles Vortrag, so das Erleben im Essener Ufa-Palast, ist ein einziger „Hymnus auf den Dichter“, mit Gefühl im Überschwang. „Das Bild des Dichters entsteht aus wenigen wesenhaften Zügen.“ Emotional. Am Schluss plötzlich Mordbrennerkämpfe.

  1. Volkslieder: „Etwas vom alten Volkstum, aus dem diese einfachen Verse aufsteigen, ist in ihm. Er hat nicht viel Mühe damit, ihm Worte zu geben.“
  2. Rätsel Frau: Annemieke, die „Frauengestalt seiner Sehnsucht, ganz Naturkind, ein Wesen, das aus der Zeit kommt, wo die Bäume rote Herzen trugen.“
  3. Stöbern in der Natur: „Die Natur wird ihm tiefstes Erlebnis. Er durchstöbert das Land.“ Tiergeschichten. Heidetexte, „schwermütige ernste Musik, gewoben aus zarten Birken, dunklen Föhren, blühendem Heidekraut“.
  4. Unbarmherzige Vaterlandsdichtung über „die Bauern des Wehrwolfs im Kampf gegen die mordbrennenden schwedischen Landsknechte“. Gib’s ihnen.

Im Beckumer Palast-Theater beeindruckt Castelle als „Intimus und Freund des großen Heidedichters Hermann Löns“. Er, „der dem Dichter im Leben nahegestanden hat, brachte ihn auch gestern abend seinen Zuhörern menschlich näher.“ „Mit Löns, so führte Dr. Castelle aus, konnte man wandern und genießen in unaussprechlicher Freude in seinen Plaudereien, aber mehr noch an seiner Seite.“ Es menschelt, man plaudert, ach so viel Nähe.

Immer ruft Castelles Rede heftige Reaktionen hervor, ein Mann der Extreme. Im Dortmunder Ufa-Palast gefällt er überhaupt nicht. Der Grund: „das dauernde Jonglieren mit Worten wie ‚Menschen, Dichtertum und Frauentum‘“ „in seiner von äußerem, wie innerem theatralischen Pathos nicht ganz befreiten Rede“.

Umso begeisterter schwärmt der Bielefelder Fritz Chlodwig Lange. Castelle kommt ins Gloria- und Palast-Theater? Anlass für Freudensprünge nicht nur im Satzbau. Eine Interjektion und gleich zwei Bindstriche: Wir „sprangen — hallo! — freudig elektrisiert vom Stuhl auf.“ Dann die direkte Ansprache, von Herzensfreund zu Herzensfreund: „Wie manche schöne Erinnerung verbindet uns mit dir prächtigem Künder deutscher Wortkunst! Mitten im Krieg war‘s, da brachte dein beredter Mund an einem trüben Oktoberabend die Beglückungen heimatlicher Dichtung in feldgraues Einerlei.“

Prächtiger Künder heimischer Dichter, machst vergessen die feldgraue Kluft. Und einer, mit dem man nach getaner Arbeit gemütlich, vor allem zwanglos zusammenhocken kann: „Und wie köstlich war dann nach Erledigung des offiziellen Programms verschiedentlich der — nun, der inoffizielle Teil! Halli und Hallo!“ Halali.

Und Löns? Castelle, so Fritz Chlodwig Lange, umreißt „mit schlichten kräftigen Strichen das Bild dieses seltsamen, begnadeten Poeten, der dennoch ein zutiefst ruheloser, unglücklicher Mensch war.“ Ein Dichtergenius, am Alltag gescheitert. Was ein Glück, dass ich nicht begnadet bin. „Seine ewig brennende Sehnsucht nach ‚Annemieke‘, der einfachen naturnahen, erlösungbringenden Frau aus alten niederdeutschen Liedern und Mähren“. Die Frauen können ihm auch nicht helfen. Immer auf der Suche, ewig unzufrieden. So müssen Poeten wohl sein. Aber mehr als „dies ganze bittere Dichterschicksal“ selbst scheint Lange zu bewegen, wie es „uns in Castelles knappem, wundervoll gemeistertem Wort wieder nahe und lebendig“ wird. Castelle, ein Meister der Wortwunder!

Karl Blumes musikalischer Showbeitrag ist ein sicherer Publikumserfolg. Fritz Chlodwig ist entzückt: „Einfach, melodisch-einprägsam, volksliedhaft blüht das alles vor uns auf.“ Von seinem Enthusiamus lässt er wieder die Satzzeichen künden:

  • „das Lied ‚Wenn ich meine Schafe weide‘; eine Weise zärtlich schwingender Erinnerung“
  • „— empfindungsvoll, ans Herz greifend — ‚Ueber die Heide geht mein Gedenken‘;
  • und weiter: ‚Horch, was der Tauber ruft‘
  • und das süß-wissende, verhaltene „Grün ist die Heide …..“

Nur die Pünktchen können sagen, was ich fühle. Denn du weißt es ja. Zärtlich und empfindungsvoll. Das geht die Mutter gar nichts an.

Besondere Publikumslieblinge kristallisieren sich heraus. Blume „erntete besonders mit dem ‚Geheimnis‘ und ‚Über die Heide geht mein Gedenken‘ reichen Beifall“ (Dortmund, Ufa-Palast). „Blume sang auch das beinahe zum Schlager (im besten Sinne) gewordene Grün ist die Heide“ (Essen, Ufa-Palast). „Grün ist die Heide“, ein Schlager! Ein Gassenhauer, ein Lied, das jeder kennt. Wow.

Karl Blume versteht sich mindestens genau gut wie Castelle auf das Kontakteknüpfen. Fritz Chlodwig gerät ins Schärmen: „Karl Blume! Der Spielmann und Sänger. Mit Lied und Laute zieht er durch die Lande, wie einst die Minnesinger und Troubadoure. Lockt die Leute in hellen Scharen heran, wie einst Hamelns Rattenfänger die Kinder; singt ernste, gefühlvolle, galante und lustige Weisen, und den Hörern schlägt das Herz genau in dem Takte, den der vielgewandte, melodienreiche Hexenmeister da oben auf dem Podium angibt.“

Mehr geht nicht. Hexenmeister, Rattenfänger, vielgewandt. Einer, der die Leute mit sich reißt, ob du willst oder nicht. Alle tanzen nach seiner Pfeife und seinem Taktstock. Minnesinger, Troubadour. Ein Wanderer durch die Jahrhunderte. Der lockt die Leute.

Mehr geht doch. Fritz Chlodwig schwärmt weiter: „Auch er — nebenbei — ein patenter, lustiger Geselle, dem man‘s anmerkt, daß ihm Gefühl und Galanterie und Zecherlustigkeit nicht nur Podium-Requisiten sind.“ Mit Blume kannst du ein Bier trinken. Beim Aftershow-Umtrunk. Wenn man unter sich ist. Der tut nicht nur so, der hat das Herz am rechten Fleck. Einer von uns.

Der Filmbeitrag wird in der zeitgenössischen Presse eher am Rande behandelt. Dem Reporter im Dortmunder Ufa-Palast erscheint der Film „geeignet, nachhaltige Eindrücke von der einsamen und doch so schönen Welt der Lüneburger Heide hervorzurufen.“ Mit dem Kino-Tempo kommt er weniger gut zurecht. Wurde „der Streifen vielleicht doch etwas zu schnell gedreht“? „Die Bauern benahmen sich beim Treten des Backtorfes wie Jazztänzer“. Plötzlich flackert die Moderne auf, schrille Jazztänze stören die beschaulich einsame Heide.

Fritz Chlodwig aus Bielefeld lobt nüchtern die erhebende Größe, die sorgfältig eingehegte Schönheit: „Ein großangelegter Film zeigt die ganze vielfältige Schönheit jener Stätten im Wechsel der Jahreszeiten, Land und Leute, und vor allem die eigenartige, im Naturschutzpark umhegte Tierwelt.“ Plözlich wird der Film zum Verführer. Fritz Chlodwig fühlt sich wie die junge Frau aus dem Song „Grün ist die Heide“. „Kam man sich nicht vor, als werde man von einem kundigen Jägersmann in all diese kleinen und großen Geheimnisse der Natur eingeführt?“ „War es nicht, als begleite man Hermann Löns auf einem Pirschgang?“ Werde ich da etwa gerade auf Abwege geführt, vom Draufgänger-Jäger, diesem Schlawiner, bei den grünen Tannen, im weichen Moos? Wo bin ich denn hier gelandet?

Fallingbostel 1929 und die Folgen

Bei Fallingbostel, im Wacholderpark bei Tietlingen, wird am Sonntag, den 29. September 1929, nachmittags um 15 Uhr, kurz nach dem 15. Todestag, vom örtlichen Verkehrsverein ein weiteres Löns-Denkmal eingeweiht. Ein neues touristisches Ziel! Das macht deutschlandweit Schlagzeilen. „Der Stein ist auf einem wundervollen Heidehügel, umgeben von zahllosen Wacholdern, aus Findlingen errichtet. Er ist bekrönt von einer mächtigen Deckplatte, die tief eingegraben den Namen des Dichters trägt“ (Hamburger Correspondent. Morgenausgabe, 01.10.1929).

Nach der Festrede des Landrats tritt Blume an prominenter Stelle als Musiker auf. Karl spielt zum ersten Mal überhaupt in der Heide. Unglaublich. „Grün ist die Heide“, das mittlerweile beliebteste Löns-Lied, ist entstanden, ohne dass Blume gesehen hat, wovon er singt!

Als begleitenden Festredner hat man Friedrich Castelle gebucht. Seit der Filmshow „Hermann Löns und seine Heide“ sind Blume und er so bekannt, dass an ihnen kein Weg mehr vorbeiführt. Mehr noch. Der Film kommt gleich mit nach Fallingbostel. Kameraleute von „Schonger Naturfilm“ sind vor Ort in die Heide kommen, um die Denkmalweihe auf Filmrollen festzuhalten. Sie soll sofort in die Show eingebaut werden, praktisch tagesaktuell. Wer kann da noch zögern, sich die Castelle-Blume-Löns-Show im Kino oder Theater anzusehen?

Kaum einen Monat später, am 27. Oktober 1929, richtet das Düsseldorfer Residenz-Theater eine Hermann-Löns-Gedächtnisfeier als Sonntags-Matinéevorstellung aus. Mit Castelle und Blume als Biograph und Komponist. Für die beiden Düsseldorfer ein Heimspiel. Im Düsseldorfer Stadtanzeiger wird am Freitag vorher kräftig die Werbetrommel gerührt. Der Film berichtet nämlich auch, so steht es in der Presse, „von der Einweihung des Löns-Denkmals in Fallingbostel, am 29. September des J., bei der die beiden genannten Löns-Interpreten mitgewirkt haben“. Blume und Castelle, auf der Bühne und im Film zugleich! „Diese Veranstaltung wird für alle jungen und alten Löns-Verehrer großes Interesse haben.“ Kommst du mit?

Die Düsseldorfer Show ist nur die Vorübung für die ganz große Bühne. Wenige Monate später geht es nach Berlin, wo die Schonger Film ihren Sitz hat. An zwei Sonntagen hintereinander, am 1. und 8. März 1930 richten Castelle und Blume inden Kammerlichtspielen ihre bekannte Löns-Matinee aus. In der Berliner Presse ist die Rede von „Uraufführung des Hubert-Schonger-Films ‚Hermann Löns und seine Heide‘“. Für Berlin vielleicht. Es handelt sich um das altbekannte Programm. Die Berliner-Börsen-Zeitung lobt: „Stimmungsschwere Landschaftsbilder, das alturwüchsige Volkstum, das hier bodenständiger geblieben ist als sonstwo“. Und Tieraufnahmen, „wie wir armen Großstädter sie aber wohl niemals zu sehen bekommen“. Fluchtwelten für Hauptstadtbewohner. Nicht nur das. „Auch die Einweihungsfeier des Löns-Denkmals auf der Lüneburger Heide ist hier dem Film dankenswerterweise eingefügt, diese schlichte Feier macht einen starken Eindruck.“

Der große Durchbruch in Berlin bleibt erstmal aus. Liegt es am Stummfilm? Blume zieht 1930 und 1931 weiter durch die Lande, manchmal allein, dann übernimmt den Vortragsteil, manchmal mit Castelle. Für die WERAG tritt Blume zweimal mit seinem altbewährten Lautenprogramm von den frühen Tourneen im Rundfunk auf, am 17. März 1931 und am 29. Juni 1931. Der Name „Blume“ gilt etwas.

Auf Tour ist ihm der Zuspruch des Publikums überall sicher. Sein Gesang, besonders das Lied „Grün ist die Heide“, rührt an die Gefühle, und der Film macht Eindruck. Bild und Ton zusammen, das ist die Erfolgsformel!

Mannheim, 01. März 1931, Kaufmannsheim. Der „Badische Bund Deutscher Jäger“ lädt zur General-Versammlung. Männer in Uniform. Film und Musik verschmelzen zu einer Einheit, schaffen eine „erhebende“ Stimmung. Der Rezensent O. der Neuen Mannheimer Zeitung ist hingerissen. Denn im Film „erscheint bei der Einweihung des Hermann-Löns-Gedenksteines draußen in der Heide der Vertoner der Löns-Lieder, um die Ehrung des toten Dichters mit seinen Gesängen zur Laute besonders festlich zu gestalten.“ Dazu Blume selbst in real life. Seine Lieder „verflochten sich mit den Geschehnissen auf der Leinwand zu einer eindrucksvollen Harmonie.“ Film, Publikum, Lautensänger, alle werden eins. „Mit der Wiedergabe der zum wertvollen Volkslied gewordenen und musikalisch hochstehenden Komposition „Grün ist die Heide“ schuf er mit dem Bildstreifen einen so innigen Kontakt, daß man sich wirklich im Lande des Heidedichters wähnte.“ Gemeinsam entrückt in die Heide, das Sehnsuchtsland der Fantasie. Blume macht Stimmung, spielt auf der Klaviatur der Gefühle. Er „beherrscht mit einer solchen Meisterschaft sein Instrument, daß man oft glaubt, eine Harfe klingt im Raum. Und wie versteht dieser Künstler, die verschiedenartigsten Stimmungen zu modulieren! Welch unerhörte musikalische Ausdrucksfähigkeit ist ihm verliehen, wie klingt seine warme, sonore Baritonstimme.“

Volkslied in Kontakt mit Bildstreifen. Ein Heide-Tonfilm! Gute Idee, O. aus Mannheim. Jetzt müssen es nur noch die Leute in Berlin kapieren.

Zum Inhaltsverzeichnis.

Zu Kapitel 7: Die Heide im Tanzcafé: Dank Adalbert Lutter in Berlin.


Abbildungsverzeichnis

Die Rote Mühle in Hannover. Postkarte. Link zu Wikimedia Commons. Creative Commons 3.0.

Europahaus 1932. Bild 1. Stresemannstraße (Kreuzberg), Landesarchiv Berlin, Creative Commons 4.0. Link zur Deutschen Digitalen Bibliothek.

Europahaus 1932. Bild 2. Stresemannstraße (Kreuzberg), Landesarchiv Berlin, Creative Commons 4.0. Link zur Deutschen Digitalen Bibliothek.

Conditorei Cafe Berlin (Dachgarten von Fritz Unger). Handwerk und Gewerbe; Gaststätten; Conditorei Café Berlin; Hardenbergstraße 29 a – e (Charlottenburg), Landesarchiv Berlin, Creative Commons 4.0. Link zur Deutschen Digitalen Bibliothek.

Verwendete Literatur

Recherche im Deutschen Zeitungsportal und bei zeitpunkt.nrw.

  • Düsseldorfer Stadt-Anzeiger Sonntag 02.12.1928, S. 16: Anzeige für „Hermann Löns und seine Heide“ im Düsseldorfer Planetarium
  • Dortmunder Zeitung 18.02.1929, S. 7: Rezension der Lönsfeier am Sonntagmorgen im Ufa-Palast
  • Westfälische Zeitung. Bielefelder Tageblatt 11.03.1929, S. 2: Fritz Chlodwig Lange, „Bielefelder pilgern zu Löns Friedrich Castelle, Karl Blume und Löns=Film“ im Gloria- und Palast-Theater
  • Dortmunder Zeitung 16.03.1929, S. 21: „5000 Menschen hören Hermann Löns“ über Essener Löns-Morgenfeiern im Ufa-Palast
  • Die Glocke 25.04.1929, S. 3: „Ein Löns=Abend in Beckum“ im Palast-Theater
  • Hamburger Fremdenblatt. Abendausgabe, 21.09.1929, S. 5: „Einweihung eines Löns-Denkmals.“
  • Hamburgischer Correspondent. Morgen-Ausgabe. 01.10.1929, S. 7: „Das Löns-Denkmal bei Fallingbostel.“
  • Düsseldorfer Stadt-Anzeiger, 25.10.1929, S. 10: „Hermann-Löns-Gedächtnisfeier im Residenz-Theater.“
  • Volkswille. Organ der sozialdemokratischen Partei 22.12.1929, S. 4: Friedrich Castelles Berufung zum Leiter des Senderaums Düsseldorf und dessen bevorstehende Schließung
  • Neue Mannheimer Zeitung, Abend-Ausgabe, Montag 02.03.1931, S. 4: „Im Lande des Heidedichters.“
  • Beckumer Zeitung 14.03.1931, S. 40: Abendkonzert mit Blume im Rundfunk am 17.03.1931
  • Kölner Lokal-Anzeiger 27.06.1931, S. 7: Abendkonzert mit Blume im Rundfunk am 27.06.1931
  • Deutsche Reichszeitung (Bonner Stadt-Anzeiger, Sieg-Rhein-Zeitung, Godesberger Volkszeitung) 27.09.1934, S. 4: „Karl Blume der beste Barde Löns‘“.
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